Timeline
- Der eigene Lebenslauf auf Facebook
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Wieder einmal muss ich
mich einer meiner Reizthemen, dem Social Networking widmen.
Aktuell hat die Social Networking Plattform Facebook angekündigt
eine Timeline für den persönlichen Lebenslauf
zu starten.
Bei vielen Datenschützern läuten da natürlich
mal wieder alle Alarmglocken, was aber nichts Ungewöhnliches
bei solchen Themen ist. Aber wie "gefährlich"
ist diese "Timeline" bei Facebook für die
Nutzer wirklich?
Ich
muss zugeben, ein entsprechendes Tool mit dem ich die
wichtigsten Ereignisse in meinem Leben zur Erinnerung
festhalten kann, interessiert auch mich. Aber muss ein
solcher Lebenslauf gleich irgendwo im Web, außerhalb
meiner sicheren Kontrolle liegen? Für mich ist die
Antwort ein klares "nein".
Facebook
verfolgt hierbei für mich erst einmal eigene Ziele.
Zum einen möchte man der wachsenden Konkurrenz (insbesondere
durch Google+) trotzen und Mitglieder an sich binden,
zum anderen möchte man interessanter für Werbekunden
werden. Umso mehr Informationen man hat umso zielgerichtere
Werbung kann man einem User zukommen lassen, was natürlich
sehr interessant für Werbekunden ist.
Grundsätzliches
Targeting beschränkt auf Alter, Lebensstatus (z.
B. berufstätig, Single, Kinder etc.) und Region finde
ich hierbei noch Okay. Alles was darüber hinausgeht
sehe ich eher skeptisch.
In
meinem Hauptberuf ist es wichtig Menschen für die
bestimmte Dinge zu überzeugen und ggf. auch zu manipulieren.
Da kommt man natürlich schnell an Grenzen, die man
moralisch noch verantworten kann. Ich selber halte es
für mich so, dass ich Menschen nie zu ihrem Nachteil
manipuliere, wenn ich manipulieren muss. Aber das mache
ich vielleicht auch nur so, weil ich täglich mit
diesen Menschen face-to-face zusammenarbeiten muss. Wer
weiß, wie es aussehen würde, wenn diese Menschen
sich nicht in meinem direkten Umfeld befinden würden.
Für einen Menschen zu manipulieren bedarf es vor
allen Dingen Informationen über diesen Menschen,
insbesondere über dessen Sozialisation. Es geht darum
die Hebel zu finden, damit der Mensch das macht, was man
möchte. Beispiel - wenn ein Mensch immer wieder schlechte
Zensuren, Feedback o. ä. bekommen hat, dazu noch
ein nicht stabiles soziales Umfeld (z. B. Familie, schlechte
Freunde) und jede Misserfolge zu bewältigen hatte,
wird er sich mit ziemlicher Sicherheit nach Stabilität
und Anerkennung sehnen. Wenn ich dieser Person einen Weg
zeige, die Anerkennung, Sicherheit, Stabiltät etc.
bietet, wird er diesen Weg ziemlich sicher gehen.
Und
genau hier sehe ich die Gefahr der "Timeline"
bei Facebook. Für was alles lässt sich ein Mensch
überzeugen, der schwierige Voraussetzungen hat und
ggf. der Meinung ist nichts mehr zu verlieren zu haben.
Ich denke ein solcher Mensch greift nach allen möglichen
Strohhälmen und ist damit potenziell dafür geeignet
Unternehmen Umsätze zu bescheren.
OK.
So etwas mag vielleicht den Meisten jetzt nicht so schlimm
vorkommen. Hier wurde jetzt auch eher der kapitalistische
Zweck beschrieben und wer weiß, vielleicht gibt
es ja auch die eine oder andere Person, die durch passende
Verbraucherinformationen auch profitieren kann.
Kommen
wir aber nun zu einem ernsteren Thema. Ein passendes Schlagwort
fällt mir dazu jetzt nicht ein - darum bezeichne
ich es jetzt mal provokativ als Cyber Mobbing.
Fangen
wir mal so an - "wer nichts zu verbergen hat, kann
auch..." Diesen Spruch hört man immer wieder,
wenn es um Datenschutzthemen geht (muss jetzt nicht Social
Networking sein) immer wieder. Das Schlimme daran ist,
dass ich den Spruch nicht nur von Politkern höre,
sondern auch von der Bevölkerung selbst. Meine Standardantwort
darauf ist, dass gerade, der nichts zu verbergen hat sich
auf sein Recht berufen sollte, nur das von sich Preis
geben zu müssen, was er möchte. Und hierzu gibt
es auch die eine oder andere Passage im Grundgesetz, so
dass auch der, der was zu verbergen hat ein Recht darauf
hat es zu verbergen (zumindest mal an einigen Stellen).
Und ich persönlich bin stolz auf ein solches Grundgesetz,
dass erst einmal jeden Bürger insbesondere vor Willkür
und Unrecht schützt. Und es liegt in der Verantwortung
jedes Bürgers dieses Grundgesetz zu verteidigen,
damit er auch in Zukunft weiter in Freiheit, Gleichheit,
Rechtsstaatlichkeit mit der Möglichkeit zur freien
Entfaltung der Persönlichkeit und Gleichberechtigung
leben kann.
Aber
nun zurück zum Social Networking. Getreu nach diesem
Motto ("ich hab ja nix zu verbergen") haben
in der Vergangenheit viele Nutzer irgendwelche Informationen
auf solchen Plattformen eingestellt. Dass irgendein Nutzer
Vorteile durch die Veröffentlichung seiner (meist
privaten) Daten hatte ist mir nicht bekannt. Dafür
gibt es viele Negativbeispiele: Nichteinstellung durch
das Social-Networking Profil, Kündigung aufgrund
Aktivitäten und Kommentaren auf entsprechenden Plattformen,
Erlöschen des Versicherungsschutzes, Probleme mit
der Krankenkasse, Polizeieinsatz durch unglücklich
gewähltes Zitat etc. (über die entsprechenden
Fälle, haben wir in einem der früheren Newsletter
berichtet). Aber man hatte ja nix zu verbergen... besoffen
irgendwo rumliegen, Böhse Onkelz als Lieblingsband,
mal schnell eine aktuelle Statusmeldung einstellen, Freunde
über den baldigen Urlaub zu berichten, ein freundliches
Bild einstellen oder mal kurz Frust (am besten noch über
den Arbeitgeber) ablassen etc...
Das
ist ja alles normal, nicht verwerflich oder außergewöhnlich?
Alles gehört zum normalen Leben? Ja - das sehe ich
genauso? Aber genau solche Dinge haben z. T. zu den oben
genannten Negativbeispielen geführt.
Oder
noch besser. Stellen Sie sich vor, Sie sind z. B. homosexuell
oder von einer anderen Kultur und bewerben sich irgendwo.
Beides Dinge, die in keinster Weise in irgendeiner Form
verwerflich sind oder negative Einflüsse haben sollten.
Also kann man diese Informationen auch auf Facebook veröffentlichen.
Aber
was ist, wenn plötzlich ein fanatischer Schwulen-
oder Lesbenhasser auf Ihre Seite kommt; oder irgendwelche
gewaltbereite Rechtsextreme... und diese dummerweise diese
noch in Ihrer Nähe wohnen...??? Ein ungutes Gefühl
- oder?
Oder
man denke auch an den Personalchef. Auch in einer (man
sollte meinen) aufgeklärten und angeblich toleranten
Gesellschaft gibt es vielleicht noch besonders im Zweifelfall
eher den Zuschlag für den heterosexuellen Christ.
Leute;
der Mensch hat bisher noch jede Schwäche seines Nächsten
zu seinem eigenen Vorteil ausgenutzt, wenn er dazu die
Möglichkeit hatte. Und jetzt werden wir zum offenen
Buch für Jedermann...
Ein
weiteres Beispiel möchte in der Chronologie eines
fiktiven (und zugegebenermaßen übertriebenen)
Lebenslaufes widmen:
Fiktives
Beispiel einer weiblichen Person
1980
- Geburt
1986 - Einschulung
1991 - nach der Wiederholung der 4.-ten Klassen die Grundschule
endlich bewältigt
1991 - Beginn Hauptschule
1998 - Hauptschule ohne Schulabschluss verlassen
1998 - von zu Hause rausgeflogen
1998 - billige Wohnung gesucht und gefunden, aber keine
Arbeit oder Ausbildung
1999 - immer noch keine Arbeit, zur Frustbewältigung
dient der Alkohol
2000 - finazielles Disaster, aus Mietwohnung auf die Straße
geflogen
2001 - Dealer kennengelernt, etwas Geld durch entsprechende
Verkäufe verdient
2002 - von Polizei festgenommen, Verurteilung, Bewährungsstrafe
2002 - zurück auf die Straße, Körper angeboten
zum Geld verdienen
2002 - nicht aufgepasst, schwanger geworden
2003 - Geburt des Kindes, Lebenspartner gefunden, weg
von der Straße
2004 - Leben nochmal in die Hand genommen; Job gefunden,
Familie gegründet...
...
Dieser Lebenslauf ist natürlich rein fiktiv. Das
Schlimme daran ist, dass es ähnliche oder noch schlimmere
Lebensläufe tatsächlich gibt. Und ich bin mir
sicher, dass es sogar Menschen gibt, die solche Lebensläufe
oder Teile daraus auf Social Networking Plattformen veröffentlichen
werden - und wenn es nur aus dem Motiv ist allen zu zeigen,
dass sie jetzt ihr Leben endlich in den Griff bekommen
möchten bzw. haben. Aber was würden andere Menschen
oder der Arbeitgeber von einer solchen Person denken?
Wie viele Menschen würden bereit sein Cyber Mobbing
auf solche Menschen auszuüben - und sie damit endgültig
ins mentale AUS zu schießen.
Zum
Abschluss ein weiteres Beispiel. Man stelle sich nun wieder
eine weibliche Person vor, die z. B. in Facebook veröffentlicht,
dass sie gerne eine Familie mit Kindern hätte oder
gerade bzgl. Kinderwunsch am arbeiten ist ;-) Gleichzeitig
sucht diese Person eine Arbeit bzw. Ausbildungsstelle.
Das
ist doch jetzt mal eine tolle Sache? Natürlich. Aber
wird auch ein Personalchef mit diesem Kenntnisstand diese
Person noch einstellen, wenn er eine Alternative hat?
Diese Person findet dann doch noch auf einmal eine Absage
im Briefkasten mit der Begründung, dass man überqualifiziert
für den Job sei...
Eigentlich
bin ich der Letzte, der neue Entwicklungen mit aller Gewalt
negativ sehen will und andauernd den Zeigefinger erhebt.
Allerdings finde ich die Geschwindigkeit und die Macht
mit der Social Networking Plattformen unser Leben bestimmen
äußerst beunruhigend. Ich möchte nicht,
dass sich jetzt jeder aus Facebook und Co. abmeldet -
im Gegenteil, ich finde es Großartig mit Menschen
in Kontakt bleiben zu können, wo ich im realen Leben
aus diversen Gründen keine oder kaum Möglichkeiten
hätte.
Aber!
Ich möchte meinen Beitrag zur Sensibilisierung mit
dem Ungang persönlicher Daten leisten ohne gleich
die sehr allgemeine und oft auch übertriebene Datenschutzkeule
zu schwingen. Facebook und Co. sind zwar virtuell, haben
aber im realen Leben schon vielen Menschen geschadet.
Bedenken Sie, Facebook und Co. sind Unternehmen, die letztendlich
als Primärziel Unternehmensgewinne haben. Daran ist
im Prinzip nichts Verwerfliches - letztendlich haben wir
alle die Möglichkeit kostenfrei mit lieb gewonnenen
Menschen in Kontakt zu bleiben. Aber muss ein solches
Unternehmen bzw. Plattform wirklich alles von uns wissen?
Die Antwort haben Sie in der Hand. Alle Informationen,
die Sie dort einstellen, veröffentlichen Sie freiwillig.
Das macht weder Facebook & Co. - dafür sind ausschließlich
Sie verantwortlich.
An
diesen Dingen werden auch neue Plattformen, wie z. B.
Google+ nichts ändern.
Mein
Fazit - Social Networking ist etwas Tolles und sollte
auch nicht mehr verschwinden. Man sollte jedoch unbedingt
seinen Kopf einsetzen, bevor man eine solche Plattform
mit persönlichen Daten und Informationen füttert.
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